1. Endura Alpen-Traum 2013

Kurzinfos:

Streckenlänge: 252 km, 6078 HM
Schwierigkeit: nicht Ohne
Profil: 6 Hauptanstiege, aber auch viele kleine Kuppen zwischendrin, inkl. zweier Flachpassagen

Endura Alpen-Traum 2013 Höhenprofil

Prolog

Bloß nicht überpacen! Was sagt der Puls? 162, ok! Trittfrequenz? 75, perfekt! Aufstiegsgeschwindigkeit? 1100 m/h, sauber! Wieviel Höhenmeter bis zum Gipfel? Nur noch 700! Welche Zeit? Schon wieder 30 Minuten rum, Zeit zum Essen und Trinken --> Nächste Nahrungsaufnahme --> 30 Minuten später! Wann kommt die nächste Verpflegungszone? Kurbeln, Kurbeln, Kurbeln. Immer schön im Rhytmus bleiben! Hoffentlich parkierts mich nicht wieder so extrem wie 3 Wochen zuvor am Jaufenpass. Kurbeln, Kurbeln, Kurbeln - weiter im Takt. Nur noch 3500 Höhenmeter bis ins Ziel. Puls? 163, passt! Trittfrequenz? ..... .
Das war die Endlosschleife die sich in meinem Kopf knappe 11 Stunden lang abspielte,
beim Endura Alpen - Traum, dem Ritt über die Alpen:

1. Etappe Oberjochpass (1136 m), Tannheimer Tal, Lechtal

Endura Alpen Traum Start Nachdem der Ötztaler Radmarathon gefühlsmäßig noch nicht 100%ig veradaut war, standen wir 3 Wochen später bereits wieder am Start eines Radrennens. Dieses mal führte uns die Strecke mit 252 km und 6075 Hm onway von Sonthofen nach Sulden. Kurz nach 6 Uhr öffnete die Startaufstellung. Marko und ich standen wie gewohnt in der 1. Reihe. Der Plan war bis zum Auftsieg zum Hahntennjoch (1903 m) in einer der vordersten Gruppen möglichst energieschonend voran zu kommen. 7 Uhr erfolgte der Start bei unerwartet einsetzenden Regen. Nach 7 Kilometern kam das kompakte Fahrerfeld, bestehend aus 480 Fahrern an den
ersten Anstieg ( 325 Hm) zum Oberjochpass (1136 m). Hier trennte sich bereits die Spreu vom Weizen. Marko und ich waren in dem Fall mal ganz souverän der Weizen und erreichten in rolleurartiger Manier in der 2. Gruppe die unscheinbare Passhöhe und konnten im weiteren Verlauf mit vereinten Kräften wieder zur Spitzengruppe aufschließen - Zwischenziel erreicht, ausruhen und nachtanken war jetzt die Devise ehe es die 900 Hm hinauf zum Hahntennjoch (1903 m) ging. Während ich auf dieser Flachpassage ausschließlich mit der Gicht des Vordermanns zu kämpfen hatte, kämpfte Marko noch mit einem immer tiefer rutschenden Sattel und einer dadurch äußerst suboptimaler Sizposition.

Aufstiegszeit Oberjochpass: 18 min
Fahrtzeit bis Anstieg zum Hahntennjoch: 1:39 h
Höhenmeter bis Anstieg zum Hahntennjoch: 661 Hm


2. Etappe Hahntennjoch (1903 m)

Hahntennjoch 1903 m Der Auftsieg zum Hanhntennjoch verlief recht unspektakulär. Marko und ich fuhren bis zur 1. Verpflegung auf Hälfte des Anstieges noch mehr oder weniger zusammen. Hier trennten sich dann unsere Wege. Ich stoppfte was ging in die Trikottaschen, füllte meine Flaschen auf und setzte meine Fahrt in den Süden fort während Marko erstmal gemütlich picknickte, seinen Sattel wieder auf Höhe brachte und fest zurrte. Es regnete und wurde Meter für Meter kälter, der Schnee am Straßenrand nahm mit zunehmender Höhe mehr und mehr zu. Es fühlte sich an wie Winter. Aber davon ließ ich mich nicht beirren. Mein Puls war absolut im Normbereich, mein neues 30er Ritzel Gold wert. So konnte ich mit relativ hoher Kadenz und kaum Krafteinsatz mit ordentlicher Steigungsrate dem Gipfel entgegen fledern. Mit äußerster Vorsicht gings extrem behutsam runter nach Imst. Ich sah talabwärts 4 Stürze. Durch die Kälte und Nässe war es extrem glitschig. Lieber ließ ich mich hier von ein paar Wahnies überholen als von meinem eigenem Hinterrad.

Aufstiegszeit Hahntennjoch: 54 min
Fahrtzeit bis Imst: 3h
Höhenmeter bis Imst: 1600 Hm


3. Etappe Inntal, Pillerhöhe (1559 m)

Piller Höhe Bienen In Imst gab es bereits die nächste Verpflegung an der ich meine Flaschen erneut auffüllte und paar Leckereien in die Trikottaschen steckte. Dadurch verlor ich zwar wieder eine Gruppe aber egal, essen war heut definitiv wichtiger. Trotzdem ging es dann zu dritt weiter über die Flachpassage nach Landeck wo bereits die nächste Verpflegung auf mich wartete. Auch hier entschied ich mich pro Verpflegung und contra Gruppe - soviel Zeit musste sein. Bis zum Anstieg (717 Hm) zur Pillerhöhe (1559 m) musste ich nun also allein weiter kämpfen. Ich hielt aber den Ball ebenso flach wie mein Puls, kam dadurch zwar etwas langsamer voran aber ausgeruht zum Anstieg zur Piller Höhe. Mit durchschnittlich 9% Steigung ging es hinauf zum Gipfel und gleichzeitig zur nächsten Verpflegung. Der Vorteil von solch steilen Pässen: Man ist relativ schnell oben. :-) Ich fühlte mich hier noch sehr gut, schaffte noch immer Steigungsraten um die 1100 m/h. Nach kurzer Verpflegung stürzten wir uns zu dritt die extrem steile Abfahrt hinunter.

Aufstiegszeit Piller Höhe: 38 min
Fahrtzeit bis Kauns (Tal): 4:30 h
Höhenmeter bis Kauns (Tal): 2600 Hm


4. Etappe Reschenpass (1507 m), Vinschgau

Reschenpass Schloss Nun erwarteten uns weitere eher ungeliebte Flachkilometer. Zum Glück war unsere Gruppe mit 5 starken Fahrern besetzt sodass wir uns schön abwechseln und ordentlich spule machen konnten. Nach 15 min im Flachen war der Spass allerdings wieder vorbei - ich musste pinkeln und verlor dadurch die Gruppe und befand mich auf den folgenden 15 Flachkilomtern wieder allein auf weiter Flur. Nach 5:30 h war der Anstieg (545 Hm) zum Reschenpass (1507 m) endlich erreicht und ich war gespannt ob ich diesen Anstieg noch immer halbwegs kraftvoll hinauf komme. Schließlich waren bereits über 5h absolviert und ich wusste nicht genau wie mein Körper auf solchen Langdistanzen wann wie reagiert zumal beim Ötzi bereits nach 4h die Lichter mal kurz aus waren. Das sollte dieses mal definitiv nicht passieren. Zu meiner Freude kam ich auch den Reschenpass ohne besondere Vorkommnisse hoch. Die Kurbeln drehten sich in einer Tour, 30er Ritzel sei dank. Kurz vor der extrem weitläufigen Passhöhe mit seinem großen See inklusive versunkenem Kirchturm, gabs nochmal was zwischen die Kiemen. Die nächste Verpflegungsstation war nun mindestens 3h entfernt sodass ich hier ordentlich auftanken musste. Es gab frische Gels, Bananen und Riegel, Cola, Iso und Wasser ehe es die letzten Höhenmeter zur Passhöhe ging, mit Rückenwind auf dem Plateau dem See entlang und final die Abfahrt dem Vinschgau entgegen. Es roch bereits nach Italien.

Aufstiegszeit Reschenpass : 42 min
Fahrtzeit bis Schleis (Tal): 6:40 h
Höhenmeter bis Schleis (Tal): 3500 Hm


5. Etappe Umbrailpass (2505 m), Stilfser Joch (2757 m)

Umbrailpass 2503 m Ab jetzt begann der eigentliche Kampf mit mir selbst und den Bergen (1700 Hm) . Meine 2 Mann Gruppe musste ich ziehen lassen, der Druck auf den Pedalen war spürbar geringer geworden aber mein Puls war noch immer im 150er Bereich. Das bedeutete für mich, dass ich allzu langsam nicht sein konnte. Unbeirrt von all dem um ich rum fand ich halbwegs meinen Rhytmus und kurbelte den beiden Endgegnern entgegen. Nach 300 Hm war in Santa Maria das kleine Vorspiel zu Ende. Die Umbrailstraße zweigt nach links von der großen Ofenpassstraße ab, verengt sich leicht und schlängelt sich mit 33 Kehren hinauf zur Passhöhe auf 2503 m Höhe. Ich brauchte aber erstmal eine kleine Pause und setzte mich für paar Minuten auf die Straße und beobachtete das Treiben der anderen Fahrer. Danch ging es weiter im Takt, Kehre für Kehre, Höhenmeter für Höhenmeter spulte ich ab. In diesen Momenten darf man sich nicht mehr fragen was man hier tut, sondern muss einfach nur noch kurbeln. Auf etwa der Hälfte des Anstieges wird es mal kurz flacher und man bekommt die Möglichkeit bei 5% Steigung etwas zu regenerieren ehe der Untergrund auf Naturstraße wechselt und auf den folgenden 1,5 Kilometern eher Mountainbikerqualitäten verlangt werden. Spitze Steine und huckeliger Untergrund verlangen hier nochmal alles ab, sowohl vom Mensch als auch vom Material. Danach musste ich eine weitere kurze Rast einlegen um die letzten 4 km bei im Schnitt 10 % Steigung hinauf zur Passhöhe zu kommen. Ich hatte nichts mehr zu trinken, hoffte ohne Einbruch noch bis zur Verpflegung am Umbrailpass zu kommen.

- Ohne Flüssigkeit macht es keinen Sinn ein Gel zu essen. Für diese hochkonzentrierten Kohlenhydrate braucht der Körper zusätzlich Flüssigkeit. Bekommt er sie nicht, zieht er sichs aus dem Körper - ein Teufelskreis. Also dann lieber auch nichts essen. -

Umbrailpass 2503 m Zum Glück reichte mir einer aus einem Auto 200 Hm vorm Pass eine Trinkflasche - gerettet. Das war Gedankenübertragung vom Feinsten, weiter gings im Takt. In der Auschreibung war die Verpflegungsstation am Umbrail als "Kaffeeklatsch" deklariert. Und so war es auch fast: Bestimmt 10 Fahrer ließen es sich hier ober erstmal gemütlich gut gehen. Es gab warmen Tee, Kaffee, Kuchen, Käse, Knackwurst, Brot, Riegel und Bananen. Nach entspanntem Smalltalk unter anderem mit Peter S. gings mit viel zu vollem Bauch sehr beschwerlich die letzten steilen 260 Hm hinauf zum Stilfser Joch (2757m) und ohne Zwischenstopp gleich in die Abfahrt. Trotz Windweste und Windjacke habe ich hinunter nach Gomagoi extrem gefroren. Das zittern wurde stellenweise so stark, dass mein komplettes Bike vibrierte und ich Probleme hatte die Spur zu halten. Zum Glück lassen die 48 Kehren hinunter ins Tal keine Topspeed Rekorde zu sodass sich der Gegenwind in Grenzen hält. Trotzdem habe ich lange nicht mehr so extrem gefroren. Das war ein Zeichen von Ausgelaugtheit und Mürbität. Denn so kalt war es ja eigentlich gar nicht mehr, es schien sogar teilweise die Sonne.

Aufstiegszeit Umbrailpass + Stilfser Joch : 2:23 h
Fahrtzeit bis Gomagoi (Tal): 9:31 h
Höhenmeter bis Gomagoi (Tal): 5300 Hm


6. Etappe Sulden (1906 m)

Ötztaler Radmarthon Abfahrt Stilfser Joch 2757 m Nun war das Ziel definitiv vor Augen. Die ersten von gut 600 Höhenmetern hinauf zur Bergankunft Sulden auf 1900 m konnte ich, dank vor Kälte taubem Körper, ohne Probleme hoch ochsen. Danach galt es ein letztes mal Rhytmus finden, Kopf runter und kurbeln, kurbeln, kurbeln. Die letzte Verpflegung am Anstieg konnte ich dank ausgiebiger Mahlzeit am Umbrail auslassen. Die Auffahrt war unnachgiebig steil, und nüchtern gesehen der ideal würdige Schlussansteig für ein solch hartes Rennen. In diesem Moment hätte ich mir allerdings eher was Flaches gewünscht. Daraus wurde leider nichts. Bis zum Schluss ging es erbahrmungslos hoch. Ich musste sogar nochmal ganz kurz halten um mich zu sammeln. Kurz vor Sulden stande dann noch ein Fotograf von RoadBike am Straßenrand von dem ich mich gern noch zu einem Foto überreden ließ ("Gesichter des Grauens" soll wohl die Überschrift in der nächsten Ausgabe lauten - ich bin gespannt.) Dank diesen klassischen "Schnürsenkeltricks" hatte ich nun nochmal die Kraft um rolleurartig ins Ziel zu kommen. Nach 10:54 h Gesamtfahrtzeit überquerte ich jubelnd und extrem zufrieden die Ziellinie. Bereits nach wenigen Sekunden waren alle Anstrengungen vergessen.

Ötztaler Radmarthon Timmelsjoch Ich glaube für dieses Gefühl tut man sich immer wieder aufs Neue solche Strapazen an, quält sich, schiebt seine persönliche Leistungsgrenze immer weiter herraus und macht einst Unmögliches möglich.
Genau darin liegt der Reiz: Scheinbar Unmögliches möglich machen. Vor nicht mal 10 Jahren habe ich mich noch ernsthaft gefragt wie Bruder Marko denn by bike in einem Ritt von Stadtroda nach Erfurt (60 km) fahren kann. Vor 6 Jahren fuhr ich meinen 1. Mountainbike Marathon und war mir anfangs nicht sicher ob ich die 53 Kilometer durchhalte. Und jetzt bin ich in einem Ritt über die Alpen gefahren. Was kommt als nächstes?

Auf dem Zielgelände gab es dann noch das schöne Finisher Trikot, das Finisher Cap, Kaffee, Obst, Getränke und für mein Bike ein von Hutchinson gesponserten neuen Hinterreifen.
Marko überquerte nach 11:44 h ( 97./ 46.) ebenfalls zufrieden das Ziel in Sulden.

Aufstiegszeit Sulden : 37 min
Fahrtzeit bis Sulden (Ziel) netto /brutto: 10:22 h/ 10:54 h
Platzierung: 47./ 24. AK
Höhenmeter bis Sulden (Ziel): 6075 Hm
Hier gibts meine Zwischenzeiten
Hier gehts zur Aufzeichnung auf garmin connect

Fazit:
Hart aber herzlich. Es gibt noch Verbesserungspotential - nächstes Jahr gerne wieder.

Garmin edga 810 PS:
Überraschender Weise hatte sogar mein Garmin edge 810 nach dem Zieleinlauf noch sage und schreibe 35% Akkuleistung gehabt. Also wer meint, der edge 810 sei ausschließlich für Kurzdistanzen und zum Trainieren geeignet, der sei hiermit eines Besseren belehrt.
Er eignet sich demnach also auch perfekt für lange Alpenüberquerungen oder andere Mammutprojekte die zeitlich jenseits von Gut und Böse sind. :-)

PSS:
Zu guter Letzt folgt noch kurz die Antwort auf die Frage wie man so eine Distanz so gut wie Non-Stop durchhalten kann:
11 Liter Flüssigkeit (RedBull, Wasser, ISO-PowerBar, Cola, Tee)
4 Bananen
10 PowerBar Gels
4 PowerBar Riegel
8 PowerBar Gel-Shots
50g Käse
50g Knackwurst
2 Scheiben Brot
30g Studentenfutter


© copyright by Frank Marschler alias Racing Mokkasin the real Col-Vernichter
Letzte Änderung: 02.01.15