Das Abenteuer Ostsee
Eine Radreise an die Ostsee. Eigentlich kein großes Problem. Zwar sind es bis Greifswald ca. 540 km aber eben nur ca. 1700 Höhenmeter (Hm). Zum Vergleich: Bei uns in der Thüringer Gegend kommen ohne Mühe im Schnitt pro 10 km ungefähr 150 – 200 Hm zusammen. In den Alpen hat man gut und gerne auch mal 1000 Hm auf 10km. Deshalb war ich mir auch sicher ohne Probleme in 3 Tagen an die Ostsee zu kommen. Jeden Tag um die 180 km im Flachen zu fahren, sollte eigentlich kein Problem darstellen.
Etappe 1
Ich wurde eines besseren belehrt. Schon als ich frühs auf mein Bike aufstieg, hatte ich eher das Gefühl auf einem Motorrad zu sitzen als auf einem Trekkingrad. Die 25 kg Gepäck und 15 kg Bike waren im Stand kaum zu halten, geschweige denn zu manövrieren.
Ich war schon mal beruhigt, dass ich sturzfrei den Kopfsteinpflaster – Schlossberg runter gekommen bin ohne das die Bremsen verglüht sind. Am 1. Anstieg, die relativ flache Geraer Straße in Stadtroda, kam dann die pure Ernüchterung. Während ich mit dem Rennrad rolleurartig da hoch schnörbsel, schien mir der „Berg“ nun wie ein echter Brocken und unendlich lang. Mit ultra langsamen 11 km/h eierte ich da hoch. Ich brauchte also erstmal eine Pause und lud ich mich auf ein zweites Frühstück in Quirla ein :-).
Danach ging es entgültig auf in Richtung Norden immer der Meeresluft entgegen. Das Wetter war zum Radfahren ideal: Zwar wolkig aber trocken und vor allem günstiger Rückenwind.
Solch lange Tagesetappen teile ich mir in mehrere kürzere überschaubare Einzeletappen ein. So habe ich immer ein Ende in Sicht und die letztendlich über 10 h im Sattel erscheinen keineswegs langweilig, öde oder ganz und gar belastend. Die 1. Pause mache ich
meistens erst nach 3-4 h da ein ausgiebiges Frühstück lange Zeit Energie spendet.Dabei gilt aber zu unterscheiden zwischen Pausen und Kurzstopps. Während Kurzstopps wird meist gar nicht erst vom Rad gestiegen. Eine Pause hingegen ist dann gemütlicher und wird mehr zelebriert. Von denen gibt es pro Tour meist nur 2, allerhöchstens 3. Kurzstopps hingegen gibt es mehrere. Hier mal anhalten und Fotos machen, da mal kurz stoppen um eine Banane zu essen, dort mal was kucken, da mal kurz ne Brause geholt, usw.
Die ersten 90 km gingen zwar recht zügig voran aber irgendwie kam ich nicht richtig in Tritt. Also legte ich an einem schönen See eine Pause ein, verspachtelte Brot, Eier, Honig und Nüsse, dokumentierte alles und setzte meine Fahrt schließlich fort.
Der Himmel sah zu diesem Zeitpunkt nicht sehr einladend aus. Dicke Wolken und hier und da paar Regentropfen. Doch das Wetter hielt und meine Performance wurde Kilometer für Kilometer besser. Nach weiteren 50 Kilometern lief alles wie am Schnürchen. Nichts tat weh, die Kurbeln drehten sich unaufhörlich. Eine wahre Freude mit dem Surren der Getriebenabe den Abend entgegen zu radeln.
Pünktlich kurz vor der Abendbrotzeit fand ich einen schönen kleinen beschaulichen Campingplatz im lieblichen Ort Klöden (In Klöden geht es übrigens rechts weg nach Rettig. :-)). Zum Abendbrot gab es Hühner – Reissupe mit Knobi, Ingwer, Nudeln und als Dessert Reiswaffeln mit Honig und Nüssen.
Hier gibts den Track zur Etappe 1:
Etappe 2
Die Nacht war äußerst frostig aber in meinem herrlich warmen Yeti Schlafsack war alles wunderbar warm und gemütlich. Gegen 6 Uhr bin ich aufgestanden und gegen 9 Uhr saß ich auf meinem Bike zur Abfahrt bereit.
Es dauert tatsächlich knappe 3 h vom Aufstehen bis zur Abreise. Eine Radreise mit Camping ist halt echt was anderes als abends im Hotel einzuchecken und frühs am gedeckten Frühstückstisch sitzen zu können. Ich hatte immer ordentlich zu tun, sowohl abends als auch morgens.
Aber genau das macht es so spannend und bringt die Freude. Schön gemütlich aus dem Schlafsack schlüpfen, den Kocher anschmeißen, Kaffee kochen, schönes Müsli mixen, Honigbrote schmieren und genüsslich frühstücken. Danach Schlafsack, Inlet, Kissen und Isomatte einrollen und verstauen, das Zelt abbauen und schließlich auch den ganzen Kram wieder ordnungsgemäß in den Radtaschen verstauen, hier und da noch ein paar Fotos schießen, das Bike satteln und schließlich los fahren. Das ist es, was Camping ausmacht. Das fetzt!
Zu meiner Freude lief es heute von Anfang an bestens. Die Sonne lachte und meine Beine waren nun im Tourenmodus. Meine Gedanken schweiften ab. Ich hatte kaum über herrlich leckeren Imkerhonig nachgedacht, da funkelte er im Sonnenlicht aus der Ferne mir entgegen: Ein Hofladen wie sie hier in der Region in regelmäßigen Abständen am Straßenrand zu finden sind.
Die Gegend hier, ab etwa 50 km vor Berlin, ist echt ideal für Radtouren. Überall gibt es was zu schlemmen. Hier ein Hofladen, da eine Omi die ihre handmade Marmelade verkauft, dort ein Konsum mit frischen Brötchen (Leider oftmals kein Vollkorn. Das geht aber auf solchen Trips durchaus in Ordnung;-)) – Alles was das Herz begehrt.
Also versorgte ich mich gleich mit Proviant für heute und morgen. Es gab herrliche Äpfel, Milch und natürlich ein Glas leckeren Buchweizenhonig (Manche sagen dieser Honig riecht nach Kuhstall…). Nach kurzem Smalltalk mit dem netten Hofladenbesitzer ging es weiter im Takt. Leider verschlimmerte sich das Wetter, dicke Wolken zogen auf und der Wind meinte es nicht mehr gut mit mir. Während der Mittagspause gegen 13 Uhr Nähe Potsdam fing dann auch noch leichter Regen an und ich überlegte mir schon einen Plan B weil das Ziel die Ostsee zu erreichen damit in weite Ferne rückte.
Es war bereits Nachmittag aber ich hatte noch gute 90 km zu fahren. Das schien mir unter diesen Umständen unmöglich. Es ging nicht mehr richtig vorwärts und meine Motivation wanderte gegen Null. Was also tun? Die Reise abbrechen und in Berlin ein Zimmer suchen? Weiter fahren aber am nächsten Tag zurück nach Berlin um rechtzeitig zum Zug zu kommen? Ich war mir nicht ganz schlüssig. Und während ich in Gedanken schweifte, drehte sich natürlich auch der Kilometerzähler weiter und schwuppsdiwupps waren schon wieder gute 150 km auf dem Tacho.
Der Regen hatte sich verzogen und mit ihm meine Plan B Überlegungen. Den erstbesten Campingplatz ließ ich am späten nachmittag links liegen. Garmin zeigte noch 3 h bis Sonnenuntergang an. Ich entschied soweit zu fahren wie nur möglich und notfalls irgendwo bei jemand im Garten zu zelten. Die Zeit verstrich, die Kilometer purzelten, die Sonne kam dem Horizont immer näher, es wurde zunehmend kälter und plötzlich: „ZISCHSCHSCHSCH“! Ein Plattfuß kurz vorm Dunkel werden.
Genau dann, wenn man ihn gar nicht braucht. Aber der Schaden war schnell behoben und es dauerte noch weitere 15 km ehe ich endlich in der Dunkelheit einen schönen Campingplatz gefunden hatte. Der Abend war gerettet. Alles war schön.
Hier gibts den Track zur Etappe 2:
Etappe 3
Die Nacht war wieder genauso kalt wie die vorherige, nur wesentlich kürzer.
Bereits gegen 4 Uhr schälte ich mich aus der Koje, frühstückte, packte alles zusammen und konnte schon gegen 7 Uhr die letzte Etappe in Angriff nehmen. Der Wind hatte sich nochmals verstärkt, sodass ich echt kaum vom Fleck kam. Mit abartigen 20 km/h eierte ich durchs Flachland.
Ich kam einfach nicht voran. Zum Glück hatte ich noch ausreichend Druck auf dem Pedal ansonsten hätte mich der Wind wohl nach hinten weg geblasen. Ich musste versuchen mir bei diesem starken Gegenwind gute Gedanken zu machen
Auf langen Radtouren kommen meist die besten Gedanken. Zwar vergesse ich die meisten unterwegs wieder aber Radfahren macht auf alle Fälle frei. Man hat genügend Zeit sich über alles Mögliche Gedanken zu machen und nach Lösungen zu suchen und diese schließlich auch zu finden. Auch alltägliche Probleme sind nach solch langen Touren wie weggeblasen.
„Der Yogi meditiert, der Radfahrer fährt Rad.“
So kann man es in einem Satz auf den Punkt bringen. Es ist schließlich kein Geheimnis, dass Sport gute Laune fabriziert. Wenn man dann noch schön gemütlich irgendwo in der Weltgeschichte rumfährt und alles dabei hat was man braucht, ist alles so wie es sein muss: Idealissimo!
Mittag machte ich dieses mal einfach an einer Tankstelle in Neubrandenburg. Ich vertilgte alles was ich mit hatte, sogar frische Grabower von der Tanke und ein Überraschungsei mussten dran glauben.
Noch eine Pause wollte ich nicht machen. Nächster Stopp: Greifswald! Als dann endlich das erste Schild mit „Greifswald 67 km“ am Straßenrand stand, war ich extrem froh. Ein Ende war in Sicht. Gegen 16 Uhr kam ich endlich in Greifswald an. Geschafft!
Das Beweisfoto schoss ich direkt am Ortseingansschild ehe ich einen kurzen Abstecher ans Meer machte. Herrlich, endlich am Ziel zu sein. Zum Baden war es allerdings noch eindeutig zu kalt.
Nach unzähligen Fotos vom Meer, dem Bike und mir, machte ich mich auf die Suche nach einer Dusche und anschließend auf den Weg zum Bahnhof. Viel zu sehen gab es nicht in Greifswald. Also setzte ich mich noch bisschen schön gemütlich ins Bahnhofsbistro.
6 Stunden später war dann schon wieder aller vorbei und ich im Nest at home.
Hier gibts den Track zur Etappe 3:
Fazit: Radreisen fetzen. Nur darf dabei absolut kein Zeitdruck entstehen. An die 40 Kilo Zusatzgewicht unter meinem Allerwertesten habe ich mich nun gewöhnt. Die nächste Reise kann also in Angriff genommen werden. Wohin? Das weiß ich noch nicht. Hauptsache Rumgondeln. 🙂
In der folgenden Tabelle gibt es die Tourdaten ( aufgezeichnet mit Garmin Oregon 450 ) für alle Statistiker unter euch:
Zeit Netto/ ~Brutto in h | Distanz in km | Höhenmeter in m | Kalorien in cal | Durchschnittstempo in km/ h | Durchschnittspuls in bpm | |
---|---|---|---|---|---|---|
Etappe 1 Stadtroda - Klöden | 7:54/ 10:00 | 194,75 | 760 | 6336 | 25,3 | 126 |
Etappe 2 Klöden - Dannenwalde | 8:22/ 11:30 | 194,81 | 310 | 6466 | 23,3 | 121 |
Etappe 3 Dannenwalde - Greifswald | 7:09/ 9:00 | 151,08 | 595 | 5283 | 21,8 | 121 |
Gesamt | 23:25/ 30:30 | 540,64 | 1665 | 18115 | 23 | 123 |
In meinem nächsten Beitrag werde ich darüber berichten wie man es körperlich schafft an 3 Tagen ungefähr 24 Stunden im Sattel zu sitzen. Soviel vorab: Es ist kein Hexenwerk. 😉
Bis dahin keep smiling! 🙂
Euer Musch
Lieber Frank, es hat Spaß gemacht, dein Erlwbtes zu lesen. Schön, dass Du mich und all die anderen teilnehmen lässt an deinen Erlebnissen. Der Weg ist das Ziel, unter dieser Überschrift könnte deine „kleine“ Reise an die Ostsee auch. Gestanden haben. Immer wieder zeigst Du uns, wie schön unsere Heimat ist und bestätigst, einzigartige Begegnungen und Erlebnisse findet man „gleich um die Ecke“. Danke. Mich interssiert mal, weil ich ja neugierig bin, wie deine Fotos, auf denen Du zu sehen bist, entstehen…Selfies???? Danke und liebe Grüße von GARMINChristians MAMA ;-)))))
Hallo Kerstin, immer wieder schön zu hören, dass euch meine Berichte und Touren gefallen. So macht das Bloggen Spass. Und Du machst es genau richtig: Wenn etwas unklar ist, einfach fragen. Gern beantworte ich dann die Fragen oder kann sie vielleicht auch gleich als Thema für einen neuen Beitrag nutzen. Nun zu Deiner Frage mit den Selfies:
In der Tat ist es nicht immer leicht als Alleinreisender die Momente möglichst authentisch im Bild fest zuhalten. Als kleines Helferlein hat sich das sogenannte Gorillapod bestens bewährt. Dieses hochflexible in alle Himmelsrichtung bewegliche Ministativ lässt sich nahezu überall befestigen weil es sich wie ein Gorilla überall festklammern kann.
Hier dazu ein Besipiel:
He Frank, das Gorilla Stativ habe ich auch 🙂 toll hehe
Das Gorilla Stativ ist herrlich. Das krallt sich echt überall fest.
Deine Berichte sind herrlich. Liest sich wie geschmiert. Du könntest dein Hobby auch zum Beruf machen.
Danke! Schön zu hören. Dann werde ich doch jetzt glatt mal zur nächsten Tour aufbrechen. Heute geht’s durchs Ländle. 🙂
[…] ging’s, leider mit äußerst starken Gegenwind. Aber durch meine Erfahrungen bei der Ostseetour, bin ich erstaunlich ruhig geblieben. Mittlerweile war ich eh vom Trainingsmodus in den Tourenmodus […]
[…] Zeitmanagement ist wiedermal leicht beschränkt und aus der Erfahrung meiner Ostseetour heraus weiß ich, dass Radreisen keinesfalls mit Stress oder Zeitdruck einher gehen sollten. […]